Alte Liebe rostet nicht

Ein Bericht von Markus Letzner - Teil 3
Der Abschied naht…Der Benz geht seinen letzten Weg in die ewige Ruhe.
26. Dezember 2015

2 Jahre sind nun mittlerweile wieder vergangen seit der geliebte rote Wagen mit dem (nicht mehr vorhandenen) Stern bei uns auf dem Hof steht und auf sein Schicksal wartet.

2 Jahre in denen es von Tag zu Tag und mit jeder weiteren Betrachtung immer klarer wurde:

Er wird es nicht schaffen zu überleben.

Die zerfressenen Stellen überwiegen augenscheinlich fast den Anteil gesunden Bleches. Das tatsächliche Ausmaß der zerstörerischen Reaktion des alten Eisen mit Luft und Wasser wird klar, als am Samstag den 07.11.2015 das Demontieren des Daimlers beginnt. Zuvor hatten wir ihn aus der Wiese wieder in die große Garage gezogen, und abermals rollten die Räder, von festgammeln keine Spur. Erstaunlich!



Ich stehe regungslos und gedankenversunken vor dem Auto und schaue es einfach nur an. Mir ist irgendwie schlecht! Aber ich muss endlich anfangen. Jetzt! Zaghaft baue ich als erstes die große Haube ab, welche sich erstaunlich gut aus ihren Halterungen lösen lässt. Dann demontiere ich die noch einigermaßen gut erhaltene Chromstoßstange. Auch diese Schraubenverbindung lässt sich gut trennen!“ Er leistet wenig Widerstand, hat aufgegeben“, dachte ich mir. Und immer wieder muss ich mir ins Gedächtnis rufen das es sich nur um „ verrostetes zusammengeschraubtes Eisen“ handelt. Aber für mich war dieses Fahrzeug immer mehr. Für mich hat es schon immer gelebt, hatte eine Seele.

Als nächstes baue ich ein paar Kleinteile vom Motor ab…und die beiden dicken Zenith-Vergaser “Pötte“.

Ihr seid wertvoll, dachte ich mir. So wie eigentlich alles an Technik was an ihm abzubauen ist. Allem voran der 2,3 Liter Sechszylinder , welcher noch zu Lebzeiten als Original Mercedes-Benz Tauschaggregat in das rote Chassis gepflanzt wurde. Dieser Motor hat kaum Laufleistung absolviert wird dementsprechend sorgfältig als Ersatz weggelagert. Erstaunlich das auch dieser nach über 20 Jahren Stillstand sich noch ganz sauber durchdrehen lässt und keinerlei Rostansätze aufweist.

Doch dann wird’s ernst…nach Ausbauen der Beifahrertür und der Frontscheibe geht’s ans abbauen des Kotflügels…und dieser lässt weitere erschreckende Blicke auf den Blechzustand frei.



Blätterteig soweit das Auge reicht. Die Versuche meines Vaters mit eingeschweißten Blechen, Kit, Spachtel, Silikon, Fasermatten und Bitumen den Verfall des Autos etwas hinauszuzögern, wirken heute irgendwie verzweifelt, hatten nur mäßigen Erfolg. Ja, in Fachkreisen würde dies wohl als absoluter Pfusch bezeichnet. War es wohl auch, aber für den Eigengebrauch und als lebenserhaltende Maßnahmen für ein täglich gebrauchtes, altes Auto seinerzeit wohl ok.

22 Jahre später verschmilzt dies alles zu einem blätterigen Gummi-Rostbrei, welcher gnadenlos weitere Blechteile angefallen hat.

Dies alles zu sehen ist zwar grausam, beruhigt mich dann jedoch etwas in meinem Beschluss das alte Auto aufzugeben und die so gewonnenen Ersatzteile bei Bedarf seinem 3 Jahre älteren, aber neuwertigen Nachfolger zu spenden.



Dieser steht im Übrigen die ganze Zeit nur einen Meter neben dem rostigen Drama und muss aus nächster Nähe mit anschauen wie sein baugleicher Kollege in die Bestandteile zerlegt, ja teilweise sogar zerrissen wird. Könnte ein Auto zittern und vor Entsetzen große Augen machen…ich glaube er tät es!

Jedes Teil was ich abbaue gibt weitere Blicke auf das marode Blech frei. Es ist wirklich an allen Ecken und Kanten zernagt, zerlöchert oder gibt spätestens nach kurzer mechanischer Einwirkung mit dem Schraubendreher nach! Grausam! Ungläubig höre ich mich immer wieder fragen: “ Wie kann ein Auto nur so kaputt sein?“ Leider hatte ich das Ausmaß so nicht gewusst oder es verdrängt. Aber, wie schon erwähnt, hilft es mir gerade etwas besser meine Entscheidung zu vertreten.

Ich mache mich daran die Beifahrertür zu strippen…alles muss raus. Alles was ich nur annähernd für den „grauen Benz“ verwerten kann kommt ins Regal. Die E-Teile Situation der /8er ist zwar vorbildlich, aber auch dort ziehen die Preise langsam spürbar an. Übrig bleibt die nackte Tür. Gezeichnet von nackten rostigen Tatsachen und div. Reparaturversuchen wandert sie auf den roten Kotflügel-Blechhaufen neben der Garage. Und dieser rote Blechberg wird noch wachsen.



Am nächsten Tag lege ich den Motor soweit frei dass er nur noch am Getriebe und mit der Kardanwelle verbunden ist.

Dann mache ich jedoch erstmal im Innenraum weiter. Das Armaturenbrett ist noch gut, soll erhalten bleiben. Doch bis auf die nachlässige Rostvorsorge macht der Benz seinem Ruf der überdurchschnittlich guten Qualität alle Ehre. Beim vollständigen Auseinandernehmen bemerkt man einmal mehr die für damalige Verhältnisse hohe Komplexität und hochwertige Verarbeitung aller Komponenten. Das Armaturenbrett scheint mit dem Auto verschmolzen, ja herausgeschnitzt zu sein. Mal schauen wie ich das heile dort heraus bekomme. Erstmal die vorderen Sitze heraus, welche, trotz des alten Stoffes, eigentlich noch gut in Schuss sind. Es waren ja auch Zeit ihres Lebens Felle zum Schutz übergezogen. Ich denke die werden in der Werkstatt gute Drehstühle abgeben.



Mein Vorhaben aus der Front eine schöne Wand-Deko zu bauen ist mir indes direkt in der Hand zerbröckelt, als ich die Kotflügel etwas zu feste im Bereich der Lampenausschnitte angefasst habe. Das Heck macht zum Glück noch einen etwas festeren Anschein, was nix heißt. Soviel habe ich in den Stunden der Demontage schon festgestellt. Die Hoffnung dass es dann damit klappt habe ich jedoch noch nicht ganz aufgegeben. Aber noch bin ich hinten nicht angekommen.

Am nächsten Nachmittag mache ich mich dann wieder ans Ausbauen des Motors, löse die Kardanwelle vom Getriebe und die Getriebehalterung. Dank des im Frühjahr neu erworbenen Motorkrans leistet der alte 6 Zylinder-Reihenmotor dann auch wenig Widerstand, wird als ganze Einheit inkl. Getriebe vorsichtig aus dem Chassis gehoben. Kaum 5 Min. später steht das gute Stück auf festem Boden neben dem Wagen…das Schlimmste ist geschafft.



Es folgen die hinteren Türen, die Heckklappe und eine Rückleuchte. Viel ist es jetzt Augenscheinlich nicht mehr.

Die Achsen und der Tank werden im Frühjahr demontiert. Dazu werden wir das Auto noch mal mit einem Stapler anheben und dem Chassis seine letzten Teile entnehmen. Den traurigen Rest des übriggebliebenen Blechkleides werden wir dann wohl abholen lassen müssen und auch wenn es noch nicht soweit ist und das Auto dann eigentlich nicht mehr als Auto zu erkennen sein wird…ich darf gar nicht daran denken…



Doch irgendwann wird der Tag kommen, soviel steht jetzt schon fest. Aber ich habe mich innerlich schon verabschiedet, Stück für Stück, mit jeder Schraube, mit jedem Teil was ich abbaue. Schwer wird es trotzdem. Übrig bleiben dann nur noch Erinnerungen und Bilder, wie so oft im Leben.

Mit dem Benz verschwindet für mich ein weiteres Stück Kindheit und Jugend. Vielleicht ist es auch das um was man heimlich trauert. Doch jetzt ist man Erwachsen oder glaubt es zumindest.

Das Auto geht, die Erinnerung bleibt.

Mach‘s gut alter Stern. Du bekommst jetzt einen Platz im Sternenhimmel. Da geht’s dir besser. Bestimmt!

Text & Bilder: Markus Letzner


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